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Und dann ist es auf einmal ganz still...

Heiligabend im Pfarrhaus: Der Weihnachtsbaum steht schon seit gestern fertig geschmückt im Wohnzimmer. Das habe ich lieber aus dem Rücken, denn schließlich ist an diesem Tag genug zu tun. Noch einmal sortiere ich meine Unterlagen für die unterschiedlichen Gottesdienste, falte die letzten 200 Liedblätter, verteile sie in den Kirchen und schaue, ob alles bereitliegt, was ich brauche.

Irgendwann im Laufe des Vormittages kommen meine Eltern und meine Schwester. Seit ich in Oberauroff bin, feiern wir Weihnachten immer bei mir, sonst würde meine Familie mich in dieser Zeit gar nicht zu Gesicht bekommen. Richtig einlassen auf sie kann ich mich allerdings kaum.

An Tagen, an denen die ersten Gottesdienstbesucher eher früher zur Kirche kommen, zieht es auch mich früh dorthin. Gegen halb drei mache ich mich auf den Weg, alles im Auto, was ich im zweiten Gottesdienst brauche. Schließlich will ich nicht schon während des Orgelnachspiels loslaufen müssen, sondern so viel Zeit wie möglich haben, bevor ich zur nächsten Kirche fahre. Also werden an der Kirchentür Hände geschüttelt, wie oft ich "Frohe Weihnachten" sage, kann ich nicht zählen, hin und wieder steckt mir jemand eine Kleinigkeit zu. Dann aber schnell, denn im nächsten Ort sind die Kirchenbänke bestimmt schon gut gefüllt.

Im Gottesdienst gelingt es mir, ganz da zu sein, ihn nicht nur zu halten, sondern mit der Gemeinde zu feiern. Und während am Ende "O du fröhliche" gesungen wird, bekomme ich manchmal eine Gänsehaut.

Wenn ich nach Hause komme, ist dort schon alles vorbereitet für das gemeinsame Abendessen. Zum Glück hat meine Mutter da mit angepackt. Wir reden miteinander, hören nebenbei Weihnachtslieder oder auch so schöne Texte wie "Erna, der Baum nadelt". Nach dem Essen ist Bescherung - nichts Großes, aber jeder hat etwas zum Auspacken. Inzwischen hat es sich bei uns eingebürgert, dass wir hinterher um ein paar Kleinigkeiten - Schokolade, eine Kerze, ein Deko-Teil,... - würfeln, eine Tradition aus meinen Weihnachtsfeiern im Studentenwohnheim.

So gegen halb neun, neun werde ich langsam wieder unruhig. Immer öfter wandert mein Blick zur Uhr, schließlich habe ich noch einen Gottesdienst. Wenn ich mit meinen Eltern - meine Schwester "bewacht" den Weihnachtsbaum, denn sie war am Nachmittag mit im Gottesdienst - das Haus verlasse, höre ich im Weggehen vielleicht noch die Titelmelodie von "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel". Als Kind der 70er Jahre gehört dieser Film für mich einfach zu Weihnachten dazu. Aber um ihn in Ruhe zu genießen, muss ich wohl auf einen der nächsten Tage warten.

Die Glocken klingen in meinen Ohren tatsächlich anders, wenn sie zur Christmette läuten. Und der Gottesdienst ist in jedem Jahr etwas ganz Besonderes. Die Erwartungen der Menschen sind an diesem Tag besonders hoch - und wie schnell werden sie enttäuscht. Eine leichte Spannung verspüre ich schon, aber die verfliegt schnell, während der altvertraute Text der Weihnachtsgeschichte erklingt und die bekannten Lieder, die oft auch Menschen auswendig können, die sonst wenig in den Gottesdienst kommen. Am Ende darf "Stille Nacht, heilige Nacht" nicht fehlen. Ein letztes Mal spreche ich heute einen weihnachtlichen Segen, noch einmal Händeschütteln an der Tür. Mit einzelnen unterhalte ich mich kurz, dann räume ich mit den Kirchenvorstehern und der Küsterin die Kirche auf, wenigstens etwas.

Bis ich zu Hause bin, ist es fast Mitternacht. Ich bin müde, denn der Tag war lang, aber hinlegen kann ich mich trotzdem nicht gleich. Jetzt endlich ist die Gelegenheit, die Schuhe auszuziehen und noch in Ruhe mit meinen Eltern ein Glas Wein zu trinken, auf das ich den Abend über lieber verzichtet habe. Wir unterhalten uns noch ein bisschen, bis es meine Eltern ins Bett zieht. Während sie ins zweite Stockwerk steigen, bleibe ich im Wohnzimmersessel zurück, die Beine hängen entspannt über der Lehne. Eine Weile höre ich es oben noch rumoren, dann wird es auf einmal ganz still. Ich höre nichts anderes als das Ticken der Uhr und hänge meinen Gedanken nach: Ich ahne etwas von Stille, Hoffnung, Frieden - jetzt habe auch ich das Gefühl von Weihnachten.

(Manuela König)

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