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Ein Besuch bei Gott

Warum feiern wir Gottesdienste eigentlich so, wie wir sie feiern? - Im Grunde hat ein Gottesdienst ganz viel Ähnlichkeit mit dem Besuch bei einer guten Freundin...

Ankommen:

Das Telefon klingelt. Es ist meine Freundin Elke. Wir haben uns schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen und verabreden uns. Ich setze mich ins Auto, fahre zu ihr und finde nach einigem Suchen eine Parkplatz. Auf mein Klingeln öffnet sie. Ich steige die Treppe zu ihr herauf, betrete die Wohnung, noch außer Atem, schließe die Tür und stelle meine Tasche ab. Endlich da!

Wir begrüßen uns und nehmen uns erst mal in den Arm. "Schön, dass du da bist!", sagt Elke.

Sonntagmorgen. Die Glocken läuten. Sie rufen zum Gottesdienst. Also mache ich mich auf den Weg in die Kirche. Ich betrete den Raum, rieche die besondere Luft dort, spüre die besondere Atmosphäre, vielleicht grüße ich noch jemanden, den ich kenne, und setze mich in die Bank. Die Glocken verklingen. Die Orgel setzt ein. Langsam komme ich zur Ruhe.

Nach der Eingangsmusik spricht der Pfarrer oder ein Kirchenvorsteher eine Begrüßung und ich fühle mich gleich willkommen.

Gemeinsam gehen wir ins Wohnzimmer und setzen uns hin.

"Wir haben uns ja schon lange nicht mehr gesehen", meint Elke, und ich fange gleich an, mich zu entschuldigen, weil ich mich eine gefühlte Ewigkeit nicht bei ihr gemeldet und nichts von mir habe hören lassen. Früher, als wir noch studiert haben, war das ganz anders. "Macht doch nichts", sagt Elke, "ich weiß doch, dass du immer viel um die Ohren hast. Schön, dass es wenigstens jetzt geklappt hat." Es tut mir gut, dass sie das sagt, weil ich ihr dann nicht mit einem schlechten Gewissen gegenübersitzen muss. "Stimmt", antworte ich. "Jetzt haben wir endlich mal wieder Zeit, miteinander zu reden."

Mit den Menschen, die um mich herum sitzen, habe sich sonst gar nicht so viel zu tun, aber hier gehören wir zusammen, weil wir uns alle im Namen Gottes getroffen haben.

Im Kyriegebet und mit der Bitte "Herr, erbarme dich" bringen wir vor Gott, was uns jetzt noch von ihm trennt: alles, was uns noch beschäftigt, all die Momente, wo anderes wichtiger war als Gott.

Und der Pfarrer antwortet mit dem Gnadenzuspruch: Er versicherst uns der Hilfe und der Liebe Gottes.

Es tut gut zu hören, dass Gott mich trotz meiner Fehler annimmt. Und jetzt, wo ich das weiß, kann ich mich ganz dem öffnen, was kommt. Erst jetzt bin ich richtig angekommen.

Dasein:

Elke erzählt von der Geburt ihres Sohnes. Sie berichet, wie sich das Leben verändert hat, jetzt wo sie nicht mehr zu zweit, sondern zu dritt sind, jetzt wo sie zu Hause ist und erst einmal nicht mehr arbeitet. Und ich erzähle, was mich zur Zeit beschäftigt. Und während wir miteinander reden, verändert sich die Sicht auf so manches. 

Jetzt steht die Bibel im Mittelpunkt, das Wort Gottes. Der Pfarrer liest daraus vor und versucht in seiner Predigt, den Text zu erklären und mit Beispielen in die Gegenwart zu holen. Ich höre die Predigt und habe dabei meine ganz eigenen Gedanken und Assoziationen. So bekommt der Text eine Bedeutung für mich, tröstet, ermuntert, mahnt... 

Irgendwann meint Elke: "Ich habe Hunger. Was hältst du davon, etwas zum Essen zu machen? Ich habe Salat, Tomaten und frisches Brot besorgt." Ich halte das für eine gute Idee. Also gehen wir in die Küche und kümmern uns ums Essen. Es ist wie früher im Wohnheim, als wir oft miteinander gekocht und gegessen haben.

Auch Mario, Elkes Freund, kommt dazu. der uns bei unseren "Frauengesprächen" lieber allein lassen wollte.

Eigentlich kenne ich ihn kaum, aber während wir mit dem Putzen von Salat, dem Schneiden von Tomaten und dem Rühren eines Dressings beschäftigt sind, kommen wir ganz zwanglos ins Gespräch. Und auch beim Essen ist das viel leichter, als wenn man sich auf der Couch gegenübersitzt.

Auf dem Altar stehen Brot und Traubensaft. Der Pfarrer erläutert kurz die Bedeutung des Abendmahls. Dann spricht er die Einsetzungsworte und erinnert damit an das letzte Abendmahl Jesu mit seinen Jüngern und an Jesu Versprechen, beim Teilen von Brot und Kelch anwesend zu sein.

Nachdem die Einladung ausgesprochen ist, kommen wir vor dem Altar zusammen. Jeder von uns empfängt Brot und Saft. Wir kommen uns nah in diesem Moment, der Pfarrer und ich, aber auch die anderen Gottesdienstbesucher. Wir reichen einander die Hände und erleben uns als Gemeinschaft, obwohl wir uns doch eher zufällig hier getroffen haben. Und irgendwie spüre ich auch die Nähe Gottes. Gestärkt gehe ich wieder an meinen Platz.

Weitergehen:

Während wir noch zusammensitzen, dreht sich das Gespräch langsam um andere Leute, um gemeinsame Bekannte. "Was macht eigentlich Markus?", "Hast du was von Christiane gehört?", "Monika und Nicole haben Ärger mit ihrem Vermieter und suchen gerade eine neue Wohnung." 

Irgendwann wird es für mich Zeit, wieder aufzubrechen und nach Hause zu fahren. Aber ich gehe nicht, ohne mit Elke einen Termin für unser nächstes Treffen ausgemacht zu haben, damit nicht wieder Monate verstreichen, bis wir uns wiedersehen.

Im Fürbittengebet richtet sich der Blick auf die Welt und die Menschen, die in ihr leben. Ihre Anliegen nehmen wir auf und bringen sie vor Gott. Im Vaterunser fassen wir unsere Bitten zusammen. Auch in den Abkündigungen kommt die Welt außerhalb und die Zeit nach dem Gottesdienst in den Blick. 

Ich erfahre die nächsten Termine in der Gemeinde und höre von Veranstaltungen, auf denen man sich vielleicht in den kommenden Tagen wieder begegnen kann. Auch der Termin für den nächsten Gottesdienst wird bekanntgegeben. 

Im Flur ziehe ich meinen Mantel an. Ich bedanke mich für das Essen, wir umarmen uns noch einmal und wünschen uns gegenseitig alles Gute. Als ich schon auf der Treppe bin, ruft Elke mir noch hinterher: "Komm gut nach Hause und ruf bei Gelegenheit mal an!"

"Gott segne dich und behüte dich" - mit diesen Worten des Pfarrers schließt der Gottesdienst. In dem Bewusstsein, dass Gott auch mit mir geht, wenn ich die Kirche verlasse, gehe ich in den Sonntag und in die kommende Woche. Gute Wünsche begleiten mich.

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